Tätowierung - Willkommen im Herzen Europas

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Unsere innere Tätowierung – Abschied von einem alten Freund In memoriam Christoph (aus der Grabrede)
 
Sweet child in time, you’ll see the line, the line that’s drawn between good and bad.” Du hast mir den Song in jungen Jahren am Bass vorgespielt und vorgesungen. Er erzählt von einem jungen Menschen, der seinen Platz sucht in einer Welt voll guter und schlechter Entscheidungen. Wir hörten viel Musik Du hattest eine tolle Schallplattensammlung , spielten Karambol oder gingen in ein Lokal, wo Du ein Computerspiel malträtiertest. Wir nannten Dich „Chruschtschow“. Unsere Geburtstage lagen gerade mal einen Tag auseinander. Nach der Schulzeit verloren wir uns aus den Augen.
 
Unser Wiedersehen dreißig Jahre später hinterließ einen starken Eindruck bei mir (vgl. Be Strong, 2023, S. 92). Nachdem ich bei einem Klassentreffen gehört hatte, dass es Dir gar nicht gut ging, spürte ich Dich in Deinem vormaligen „Black Lemon“-Tattoo-Studio in Wien-Favoriten auf. Du konntest Deinen Beruf als Tätowierer nach einem Herzinfarkt und Schlaganfall nicht mehr ausüben. Deine Freunde und da zu sein für Deine beiden Kätzchen Ziggy und Hilde gaben Dir Halt, Dein Glaube an den Beistand des Erzengels Michael und der Besuch der Johanneskapelle der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche waren Dir Orientierung. Das Wort „Logos“ aus dem Johannesevangelium begleitete Dich auf Schritt und Tritt. Es war auf Deinem Handrücken und Deinem Fuß eintätowiert.
  
Du erzähltest mir, dass Du „nichts ausgelassen“ hattest, als Du in einer Punk-Band warst, sprachst von Deinen Kochkünsten, vom Besuch einer Wallfahrtskirche in Polen und der Trauer um Deine geliebte Oma. Du warst bei der Verabschiedung meiner Frau dabei und bei meiner Diakonenweihe. Zuletzt zogst Du ins südliche Burgenland. Im Jänner 2023 musste Dir – wie zuvor Deinen beiden Eltern – ein Bein abgenommen werden. Während einer folgenden OP im Juni verstarbst Du tragisch im Spital. Schließlich galt es, Dir eine Beisetzung im Grab Deiner Großeltern und Eltern in Eisenstadt zu ermöglichen.
 
„Es gibt eine Zeit zum Leben und eine Zeit zum Sterben“, heißt es im Buch Kohelet. Eine Zeit zum Lachen und eine Zeit zum Weinen (Koh 3,1–4). Heute mögen wir sehr traurig sein, und doch dürfen wir uns dankbar an schöne gemeinsame Tage erinnern. Etwa, als Du einer lieben Freundin ein Kreuz am Hals tätowiert hast. Wir haben ein Bild dieses Kreuzes auf Deine Parte gegeben. Die Erinnerung an Dich ist uns ins Gedächtnis tätowiert. Das ist unsere innere Tätowierung. „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“, hat uns Jesus gesagt (Joh 14,2). So wissen wir Dich nun an einem besseren Ort.
  
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Da waren wir nun, nicht einmal sechs Jahre nach unserem Wiedersehen am Balkon. Es war kein „g’schmeidiges Tagerl“, wie er gelegentlich beim Verabschieden gesagt hatte. Viele von uns taten sich schwer, die Tränen zurückzuhalten. Am Schluss der Beisetzung spielten wir „Homeward“ aus dem „Butterfly Ball“ an. Vor allem das Lied davor, „Love is All“, hatte es meinem Jugendfreund angetan, seit er den zugehörigen Cartoon mit dem singenden Frosch gesehen hatte. Beim Schallplatten Einkaufen empfahl er mir das Album „Rainbow Rising“ mit demselben Sänger. Den „Butterfly Ball“ hatten wir zuletzt gemeinsam im Auto gehört, als ich ihn vor ein paar Jahren zum Grab seiner Eltern fuhr, wo wir uns nun alle zum Abschied versammelt hatten.
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